DE | EN | FR
DE | EN | FR
pathologische Highlights

Auf den Spuren historischer Krankheitserreger in Wien

Team-Retreat und Probenahme an der Veterinärmedizinischen Universität Wien – Zusammenarbeit und Praxis in der Veterinärwissenschaft

Ein Beitrag von Annika Graaf-Rau

Vom 4. bis 6. Juni 2025 veranstaltete die Abteilung „Evolution von Krankheitserregern“ unter der Leitung von Prof. Dr. Sébastien Calvignac-Spencer des HIOH ein kombiniertes Retreat mit integrierter Probenahme-Mission am Institut für Pathologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien – unserem zentralen Kooperationspartner für die Erforschung historischer pathologischer Präparate in der Veterinärmedizin. Ziel des Aufenthalts war die Entnahme von rund 60 historischen Gewebeproben für molekulargenetische Analysen im Kontext der Tierseuchenforschung. Gleichzeitig bot das Treffen Raum für interne Gespräche zur Laboroptimierung, Projektentwicklung und Teambildung.

Vor Ort wurden wir herzlich von Dr. Barbara Richter und Prof. Herbert Weissenböck empfangen, die sowohl die wissenschaftliche als auch die logistische Umsetzung unseres Aufenthalts maßgeblich unterstützten. Sie ermöglichten uns den Zugang zur bedeutenden pathologischen Sammlung der Veterinärmedizinischen Universität Wien – der größten ihrer Art in Europa. Die Sammlung umfasst über 6.000 Präparate, von denen viele aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stammen. Thematisch geordnet und in Vitrinen ausgestellt, dokumentieren sie eindrucksvoll organische Veränderungen durch Infektionskrankheiten wie Rinderpest und Rotz, die heute in Mitteleuropa kaum noch vorkommen. Als einzigartiges wissenschaftshistorisches Archiv spielt die Sammlung bis heute eine zentrale Rolle in der veterinärmedizinischen Ausbildung und Forschung.

Die Journalistin Laura Salm-Reifferscheidt begleitete unsere praktische Arbeit vor Ort im Rahmen eines Sonderbeitrages. Parallel dazu wurden laufende Projekte zu bedeutenden Tierseuchenerregern wie aviärer Influenza (Vogelgrippe), Maul- und Klauenseuche sowie Rinderpest diskutiert. Ein besonderer Höhepunkt des Retreats war die Teilnahme von Prof. Ludovic Orlando (CAGT, Universität Toulouse) und Prof. Laurent Frantz (LMU München), deren ausgewiesene Expertise in der Analyse alter DNA und Tiergenomik wertvolle Impulse für zukünftige Kooperationen setzte.

Am letzten Tag führte uns die Zusammenarbeit mit Dr. Eduard Winter in den historischen Narrenturm – Europas erste psychiatrische Einrichtung und heutiger Standort einer der ältesten pathologisch-anatomischen Sammlungen des Kontinents. Die dort präsentierten humanmedizinischen Präparate boten einen aufschlussreichen Vergleich zur veterinärmedizinischen Sammlung und eröffneten neue Perspektiven für interdisziplinäre Ansätze in der historischen Erregerforschung.

Das Retreat zeichnete sich durch intensiven wissenschaftlichen Austausch, anregende Gespräche und produktive Diskussionen aus, die zahlreiche Impulse für zukünftige Projekte gaben. Im gemeinsamen Dialog wurde beschlossen, die Zusammenarbeit mit Kolleg:innen im Bereich der Paläogenomik von Tieren, also Genomanalysen alter tierischer DNA, zu vertiefen – mit dem Ziel, die Auswirkungen historischer Veränderungen in Zuchtpraktiken und im Tiergesundheitsmanagement auf Wirt und Erreger interdisziplinär zu erforschen.

Die Verbindung aus praktischer Forschungsarbeit, interdisziplinärem Austausch und kollegialem Miteinander machte den Aufenthalt in Wien besonders wertvoll. Die enge Zusammenarbeit vor Ort stärkte nicht nur die laufenden Projekte, sondern bildete auch eine solide Grundlage für künftige Kooperationen.